Veränderung
Ruckartig fuhr er aus dem Schlaf auf.
Schweißgebadet und mit schnell pochendem Herzen musste er sich einen Moment lang orientieren, wo er sich gerade befand.
Doch nur kurz darauf konnte er beruhigt feststellen dass er in seinem eigenem Schlafzimmer war.
Dasselbe Zimmer in dem er schon so viele Jahre genächtigt hatte.
Dasselbe große Fenster, zu seiner Rechten, in welches der Vollmond hell hereinschien.
Dasselbe alte Mobiliar, welches schon seit ihrem Einzug hier stand.Alles beim Alten. Alles wie gewohnt. Alles so wie er es haben wollte.
Es beruhigte ihn. Es beruhigte ihn ungemein dass alles so war wie er es kannte. Das gab ihm immer etwas Trost wenn alles in seinen eigenen vier Wänden so war wie er es kannte. Er musste sich auch häufig wehren wenn SIE irgendwelche Änderungen vornehmen wollte.
Ja... SIE...
Er drehte sich langsam zu seiner Linken. Dort lag, mit entspanntem Gesichtsausdruck, das Haupt seiner Frau auf dem Kissen neben dem seinen.
SIE war es der er diese schrecklichen Albträume verdankte. SIE und ihre furchtbare Art alles verändern zu wollen. Immer wollte SIE dass alles ANDERS sein sollte.
Zuerst sollten die Möbel umgestellt werden. Dann hat SIE gesagt er sollte er die Wohnung renovieren. Zuletzt hat SIE sogar vorgeschlagen aus dieser, zugegebenermaßen etwas älteren Wohnung, auszuziehen. SIE hatte ja genügend Geld um uns bequem ein größeres Haus zu kaufen.
Doch SIE wollte es nicht wahr haben dass er glücklich mit dem war was er hatte. Er hatte sich daran gewöhnt hier so zu leben wie er eben lebte. Seine Alltagsroutine war ihm heilig. Er konnte gut und gerne auf etwas Luxus verzichten wenn er an dem Ort war den er, nun immerhin schon 13 Jahren, sein Heim nennen konnte.
Denn ebenso konnte er liebend gerne auf diese schrecklichen Albträume verzichten die ihn in letzter Zeit so häufig plagten. Es beruhigte ihn, nach diesen Heimsuchungen, in seiner vertrauten Umgebung sein zu können. Es gab ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.Doch das wollte SIE nicht verstehen. Ihre Ehe, anfangs noch sehr glücklich, ging über die Jahre hinweg immer mehr in die Brüche. SIE konnte sich mit seiner „Besessenheit“, wie SIE es nannte, nicht umgehen. Dabei war SIE doch der störende Faktor. Wenn SIE nicht dauernd, in ihrem Wahn alles verändern zu wollen, ihm auf die Nerven gehen würde dann wäre es mit ihrer Beziehung nie so schlimm gekommen.Ihre Streitereien häuften sich mit der Zeit und wurden immer intensiver. Vor ein paar Wochen dann war es dann schließlich so weit dass SIE nach einem heftigen Streit nicht mehr mit ihm im selben Bett schlafen wollte.
Zuerst fand er das wenig schlimm da er ebenfalls sehr wütend auf SIE war. Doch dann setzen diese wiederkehrenden Albträume ein.In jenen Träumen befand er sich in seiner Wohnung… und doch… und doch war alles irgendwie anders. Irgendwie VERÄNDERT…Die Möbel waren ihm neu und völlig fremd. Sogar die Raumaufteilung war anders. Seine Frau hatte es tatsächlich gewagt die Wohnung komplett umzugestalten. Oder waren sie sogar umgezogen? Der gewohnte Ausblick aus seinem Zimmerfenster war ein völlig anderer. Und doch wirkte alles irgendwie so unheimlich vertraut. So als ob es tatsächlich SEIN zu Hause wäre.
Dann tauchte meistens SIE aus dem Nichts auf und lachte. Lachte ihn aus. Lachte ihn über seine Ängste über diesen fremden Ort, über sein verfremdetes zu Hause aus.
Dann stürzte sie plötzlich auf ihn so wie er damals auf sie gestürzt war und…
Dies war die Stelle an der er immer aufwachte. Der Traum war bereits beim ersten Mal genauso wie er ihn heute zum wiederholten Male geträumt hatte.
Doch das Schlimmste, zumindest damals, war für ihn neben sich die leere Betthälfte erblicken zu müssen.
Schließlich war er es doch gewohnt dass seine Frau nachts neben ihm liegt.So wütend er auch auf SIE war und so sehr ihn ihr Änderungswahn ärgerte so sehr musste er doch feststellen dass er SIE brauchte. Er brauchte SIE. Er vermisste SIE. Er liebte SIE.
Doch sein Stolz verhinderte ihn ihr dies auch zu sagen. Nach dem Streit sprachen sie nicht mehr miteinander und er wollte nicht klein bei geben. So schlief er über eine Woche alleine im Schlafzimmer. Doch die nächtlichen Albträumen und das Fehlen seiner Frau nach dem Erwachen brachten ihn schließlich dazu SIE wieder dazu zu bringen neben ihm zu liegen, wenn er nachts schlief.
Die Albträume blieben jedoch. Doch es beruhigte ihn aufzuwachen und in IHR Gesicht schauen zu können. Auch wenn ihre Eheprobleme blieben und SIE nach wie vor nicht mit ihm redete, spendete SIE ihm auf diese Weise trotzdem Trost. Und zwar weil SIE ihn genauso liebte wie er SIE liebte. Während er so in IHR Gesicht blickte und über SIE und sich nachdachte kam ihm ein Gedanke:
Vielleicht sollte er auch mal ein Opfer bringen. Er sah auch ein dass er vielleicht etwas zu verbohrt war. Man muss ja nicht immer alles beim Alten belassen. Veränderungen sind ja nicht zwingend etwas Schlechtes. Schließlich ist die Natur selbst eine laufende Veränderung. Vielleicht sollte auch er etwas verändern um IHR und sich selbst zu demonstrieren dass er auch Veränderungen in seinem Leben machen und damit auch umgehen kann.Und genau das würde er auch jetzt tun. Er würde die Angelegenheit beim Schopf packen und selbst etwas verändern. Und zwar indem er den Rest der Nacht nicht mehr neben IHR verbringen würde…
Mit diesem Gedanken setzte er sich auf, drehte sich zu IHR um, nahm ihren Kopf und legte ihn unter das Bett wo ihr restlicher Körper vor sich hin moderte…